Dass Besuchergruppen aus ganz Deutschland das pädagogische Konzept des Oettinger Albrecht-Ernst-Gymnasiums verbunden mit der besonderen Architektur kennen lernen wollen, gehört am A-E-G schon seit vielen Jahren zum Alltag. Sogar Gäste aus Brasilien und Singapur konnte man schon begrüßen. Auch werden Mitglieder der Schulleitung und des Kollegiums vielfach als Referenten eingeladen, um ihre Erfahrungen mitzuteilen. Als aber vor kurzem eine Einladung an die Deutsche Evangelische Oberschule in Kairo (DEO) an die Schulleitung gerichtet wurde, war dies schon eine Überraschung. Eine kürzlich stattgefundene Evaluation hatte neben viel Positivem auch Verbesserungsvorschläge erbracht, weshalb sich Michael Bötsch, der Verantwortliche für die Schulentwicklung, auf die Suche nach geeigneten Referenten gemacht hat. Bei seiner Recherche stieß er schnell auf das A-E-G und war nach dem Studium der Homepage überzeugt, dort die richtigen Ansprechpartner gefunden zu haben. Nach einigen Planungen und Absprachen nahmen Schulleiter Günther Schmalisch und sein Mitarbeiter, Alois Mayr, die Einladung gerne an und flogen in die ägyptische Hauptstadt. Die erste positive Überraschung waren die warmen Temperaturen, etwa 18 Grad, die die beiden in Kairo beim Aussteigen erwarteten, wenngleich das von Einheimischen als sehr kalt empfunden wurde. Dieser positiven Überraschung sollten in den vier Tagen des Aufenthaltes aber noch viele weitere folgen. Schon bei der Begrüßung am Flughafen erlebten die Oettinger eine überaus herzliche Gastfreundschaft, die sie auch die ganze Zeit über begleitete. Die Fahrt zum Hotel machte ihnen aber dann sehr schnell klar, dass sie in eine andere Welt eintauchen würden. Es scheint, als ob es im Tag und Nacht unaufhörlich fließenden dichten Verkehr keinerlei Regeln gibt. Aus einer zweispurigen Straße werden plötzlich vier Spuren, ein ständiges Hin- und Herwechseln und dazwischen drängen sich noch die allgegenwärtigen Vespafahrer hindurch. Ohnehin ist das wichtigste Utensil im Straßenverkehr die Hupe. Kein Wunder also, dass nahezu jedes Fahrzeug Kratzer, Beulen oder mehr oder minder notdürftig gespachtelte Stellen aufweist.
Da in islamischen Ländern der Freitag als Feiertag verbracht wird, hatte Michael Bötsch für die Gäste am Vormittag einen kompetenten Guide organisiert, der mit ihnen die Pyramiden von Gizeh besuchte. 12,5 Millionen Steine – 6 bis 70 Tonnen schwer – wurden für den Bau der Cheopspyramide benötigt. Bis heute ist die Realisierung dieser monumentalen Bauwerke ein ungelöstes Rätsel. Lag Kairo vor einigen Jahrzehnten noch viele Kilometer von den Pyramiden entfernt, so ist die Stadt mittlerweile bis auf wenige Meter an die historischen Stätten herangerückt. Das gilt auch für die Sphinx, die, ähnlich wie unsere großen Kirchen, um sie zu erhalten, ständig von Gerüsten umgeben ist.

Am Nachmittag stand dann ein erster Rundgang durch die DEO an. Von einem Wachmann Tag und Nacht bewacht, gleicht der Eingang einem Hochsicherheitstrakt. Das Gelände beherbergt dann einen Kindergarten, eine Grundschule und das Gymnasium. Für die Oberstufe wurde im Oktober 2019 von Außenminister Heiko Maas ein neues Gebäude eingeweiht. Im Gespräch mit Michael Bötsch erhielten die beiden Oettinger wichtige Informationen über die Schulstruktur, den Schulalltag und in welchen Bereichen Günther Schmalisch und Alois Mayr Impulse setzen sollten.

Am darauffolgenden Samstag wurden die Gespräche mit weiteren Mitgliedern des Kollegiums, unter anderem dem stellvertretenden Schulleiter Dr. Johannes Eder, er stammt aus Eichstätt, vertieft und der eigentliche pädagogische Tag vorbereitet, bevor die Vertreter des A-E-G zusammen mit Dr. Johannes Eder und Maike Süberkrüb, der Koordinatorin für Deutschsprachigen Fachunterricht in die Welt der Basare eintauchten. Hochinteressant waren vor allem die Bereiche, in die Touristen normalerweise nicht geführt werden. Undenkbar, dass auf offener Straße in Deutschland Fleisch neben Kleidung, Fisch neben Backwaren verkauft werden, alles ohne erkennbare Kühlung und zwischen den vielen Fußgängern brettern laut hupend unaufhörlich Tuk-Tuks und Vespafahrer hindurch, teilweise mit nicht nur einem, sondern sogar drei Personen besetzt. Auch von Helmpflicht keine Spur. Schier unendlich erstreckt sich der Markt auch in viele enge Seitengassen, bevor er sich dann weitet und ein anderes Gesicht, sprich Angebot, zeigt, das deutlich auf die touristischen Kaufinteressenten abzielt. Shishas in allen Variationen, Handtaschen, Turnschuhe, Teppich- ebenso wie zahlreiche Silber- und Goldschmuckläden. Beim Besuch einer Moschee fällt auf, dass der große freie Bereich in der Mitte, ein Dach wird bei maximal fünf Regentagen im Jahr nicht benötigt, als Treffpunkt, ja fast als Spielplatz gesehen wird. Während sich die Erwachsenen unterhalten, spielen Kinder mit ihren Bällen und rennen lachend umher. In den Seitengängen verrichten einige Frauen und Männer ihre Gebete.
Ein höchst interessanter Nachmittag, der uns in eine völlig fremde Welt entführte.

Am Sonntag stand dann der eigentlich Grund unserer Reise an, der pädagogische Tag an der DEO. Er begann mit einem Impulsvortrag von Günther Schmalisch, der die Bedingungen gelingenden Lernens, das daraus resultierende pädagogische und architektonische Konzept des A-E-G vorstellte und erläuterte und gleichzeitig versuchte, die besonderen Umstände und Gegebenheiten der Schule in Kairo mit einzubeziehen. Voller Elan griffen die Kolleginnen und Kollegen in den anschließenden Workshops Anregungen auf und besprachen Umsetzungsmöglichkeiten in ihrem Unterrichtsalltag. Alois Mayr erläuterte einer Gruppe, die sich mit Digitalisierung beschäftigte, die Verwendung einer Cloud-Lösung und eines Lernmanagementsystems im Unterricht. Mayr zeigte den Anwesenden Anwendungsmöglichkeiten mit bereits vorhandener Hard- und Software auf und gab Tipps für den richtigen Umgang mit sozialen Netzwerken, da diese in Ägypten sehr unkritisch und sorglos von den Schülern, aber auch von den Eltern genutzt werden. In diesem Zusammenhang zeigten die Teilnehmer an der schuleigenen Handynutzungsordnung des A-E-G besonderes Interesse.
Mit Binnendifferenzierung, Individualisierung, dem Erstellen von Arbeitsmaterial beschäftigten sich weitere Gruppen auch nach der Mittagspause. Günther Schmalisch hatte dazu einiges an Material vom A-E-G mitgebracht, das wichtige Impulse vermitteln konnte. Besonders interessiert wurden auch seine spontanen Vorschläge zu möglichen baulichen Veränderungen an der DEO aufgenommen, die eine Gruppe sofort zu konkreten Planungen veranlasste. Michael Bötsch und Dr. Johannes Eder bedankten sich am Ende des pädagogischen Tages im Namen aller bei ihren deutschen Gästen für die vielen wertvollen Impulse und Anregungen, die den Tag zu einem vollen Erfolg gemacht hatten. Eine Fortsetzung im kommenden Jahr wurde bereits ins Auge gefasst, bevor die mehr als beeindruckende Reis mit einer gemeinsamen Felukenfahrt auf dem Nil einen wunderbaren Abschluss fand.