Ein Wechsel von Sonne und Regen begleitete uns in der ersten Nacht und am ersten Tag unserer Reise. Als alle Gepäckstücke von unserem langjährigen versierten Fahrer Alfred Filp, als geborener Siebenbürger ein ausgezeichneter Kenner dieses Landstrichs, verstaut waren und Pfarrer Paul Sattler ein paar beruhigende Worte an die Eltern gesprochen hatte, fuhren wir bei Sonnenschein los. Bald begleiteten uns aber dunkle Wolken und schon in der Nähe des Chiemsees prasselte der erste Regenschauer hernieder. Mit einem herrlichen doppelten Regenbogen versiegten die Tropfen immer mehr und in Wien konnten wir trockenen Fußes die erste wichtige Sehenswürdigkeit der Reise aufsuchen. Das riesige Schloss Schönbrunn war die Machtzentrale der Habsburgerin Maria Theresia, die ja auch Verbindungen zum Fürstenhaus nach Oettingen besitzt, des Kaiserhauses Österreich und der Doppelmonarchie Österreich-Ungarn. Ein erstes wichtiges Puzzleteil zum Verständnis der Geschichte Siebenbürgens im heutigen Rumänien. Vor dem mächtigen schmiedeeisernen Portal erfuhren die Jugendlichen, welch berühmte Persönlichkeiten in dem Schluss residierten und es besuchten. Natürlich die allen bekannte Kaiserin Sissi mit ihrem Franz Jospeh I., aber auch Napoleon und der amerikanische Präsident John F. Kennedy sowie sein sowjetischer Gegenpart Chrustschow. Außerdem soll W.A. Mozart sein erstes Klavierkonzert in dem Schloss gegeben haben und zwar mit sechs Jahren. Die zweite Station dieser geschichtlichen Zeitreise sollte nun Budapest werden. Leider begann es nach dem überfahren der Grenze heftig an zu regnen, Blitze zuckten und erhellten den Nachthimmel. So war an einen Spaziergang durch die wunderschöne und geschichtsträchtige Hauptstadt Ungarns und entlang des Donauufers nicht zu denken und OStD Günther Schmalisch musste den Reisenden im Bus einiges Wissenswerte und Interessante erzählen. Der Regen begleitete die Oettinger während der Fahrt durch die Nacht bis dann kurz vor der Grenze zu Rumänien die Wolken aufrissen und ein eindrucksvoller Sonnenaufgang den Sonntag einleuchtete. An der Grenze herrschte noch keinerlei Betrieb, so dass die Kontrollen und die Beamten beider Länder schnell und problemlos abliefen, alle hatten ihre Ausweise parat und alle durften auch weiterreisen. Wenige Minuten später atmeten alle beim ersten Halt erstmals rumänische Morgenluft und in Oradea versorgten sich alle bei einem günstigen Wechselkurs mit genügend Lei für die kommenden Tage. Pfarrer Sattler hatte zum Frühstück Salami, Paprika und Brot besorgt, und so gestärkt konnte es weiter gehen.

Bei der Fahrt durch kleinere Städte, Dörfer und herrliche Landschaften sammelten die Jugendlichen ihre ersten Eindrücke. Bald kamen ihnen auch die ersten Pferdewagen entgegen, sie sahen Kühe, Pferde, Schafe und Ziegen, die oft vereinzelt neben der Straße oder auf den Wiesen friedlich grasten. Vom erhöhten Sitz im Bus konnte man auch einen Blick über die Hoftore in die einzelnen Gehöfte werfen. Weinlauben mit vielen Trauben fehlen so gut wie nie, Hühner scharren und picken in den Höfen neben meist einfach gehaltenen Häusern. Schnell fielen allen auch die zahlreichen Bauruinen die verteilt oft schon seit Jahren in der Landschaft stehen. Apropos Landschaft, sie zeigte sich von ihrer herrlichsten, weil sonnenüberfluteten Seite. Sie breitete ihre sanften grünen Hügel aus, bot Blicke so weit das Auge reichte um sich dann nach der nächsten Kehre so zu verengen, dass sich die steilen bewaldeten Hänge dunkel um die Reisenden zu schließen schienen. Die Kontraste sind es, die diesen Landstrich so besonders machen. Auch bei den Häusern. In einem Ort standen indischen Tempeln nachempfundene Prunkbauten einzelner Sinti und Roma Familien direkt neben einfachsten kleinen, fast baufälligen aber bewohnten Häuschen. Einmalig sind auch die kulinarischen Köstlichkeiten. Der Genuss eines über Holzkohle gebackener Baumstriezels oder Kürtöskalács mit Zucker und Zimt gehört am ersten Tag einfach dazu und jedes Mal lassen sich die Jugendlichen vom wunderbaren Geschmack des noch warmen Gebäcks überzeugen. Der grandiose Blick in eine schier endlos weite Landschaft machen das Glück perfekt. Weiter ging es bis endlich das Hotel Belvedere hoch über Klausenburg erreicht war. Waren es vor wenigen Stunden noch 15 Grad, schlugen den Oettingern nun 30 Grad entgegen. Erst einmal stand jetzt eine Ruhepause an, bevor Pfarrer Sattler mit einer Karte Lage und Geschichte Siebenbürgens den Schülerinnen und Schülern nahebrachte. Dann ging es mehrere hundert Treppen hinab ins Zentrum. Alle hatten Hunger, suchten und fanden auch genügen Stärkung. Während der größte Teil genüsslich Pizza oder anderes verspeiste verdunkelte sich plötzlich der Himmel und ein heftiger Unwetter fegte mit Stürmen und wolkenbruchartigem Regen über die Stadt hinweg. Nach etwa einer Stunde war alles wieder vorbei, ein Regenbogen leuchtete, aber das Gewitter hatte doch einigen Schaden angerichtet. Bäume wurden entwurzelt, Häuser abgedeckt und der Strom fiel aus. So mussten die Bedienungen wieder althergebracht zu Block und Stift greifen um die Rechnungen zu erstellen. Unbeschadet und trocken erreichten wir alle nach einem mühsamen Aufstieg über die vielen Stufen nach einem Temperatursturz auf 16 Grad wieder unser Hotel. Mittlerweile hat sich alles wieder beruhigt, nur die vielen heulenden Sirenen von Polizei-, Kranken- und Feuerwehrwägen zeugen davon, dass immer noch Hilfe an vielen Stellen benötigt wird.
Morgen geht es weiter. Am Abend wollen wir Rosenau bei Kronstadt (Brasov) erreichen und vorher noch einige Besonderheiten und Sehenswürdigkeiten auf dem Weg aufsuchen. Was uns wohl morgen begleitet, Sonne, Regen oder beides?

Ein Tag im Leben von Pfarrer Sattler…

so könnte man unsere Fahrt und die Erlebnisse am dritten Tag unserer Reise überschreiben. Aber der Reihe nach. Gestern herrschte noch Sturm und heftiges Unwetter in Rumänien, heute strahlte die Morgensonne ins Fenster. ­­­­­Ausgeschlafen und nach einem üppigen Frühstück bestens gestärkt blickten wir aus dem Bus noch einmal von oben auf Klausenburg zurück und begaben uns dann auf eine Reise nicht ganz bis zum Mittelpunkt der Erde, aber zumindest mehr als hundert Meter in die Tiefe. Über mehrere Jahrhunderte wurde bis 1932 wurde in der Saline in Turda Salz abgebaut.­ Heute bietet es eine modern ausgebaute, sehr sehenswerte Besichtigungsmöglichkeit, die man unbedingt wahrnehmen sollte. Eigentlich ist es noch mehr, denn in ihrem Inneren findet man einen unterirdischen Freizeitpark. Zunächst ging es viele Treppen abwärts, überhaupt begleiten uns Treppen während unserer ganzen Reise, schon gestern und besonders heute. Dazu später aber noch mehr. Nach dem Abstieg folgte ein langer Gang, dessen Wände, Decken und Boden aus reinem Salz bestanden. Im Josephssaal konnten wir ein Echo erzeugen, dass dem am Königssee in nichts nachstand. Am Rand des Saales geht es etwa 100 Meter in die Tiefe und die Wände des glockenförmigen Domes erzeugen dieses vielfache Echo. Die maschinellen Vorrichtungen in weiteren Räumen lassen heute nur erahnen, unter welch schwierigen Bedingungen damals Mensch und Tier, Pferde wurden zum Heraufziehen der Salzblöcke eingespannt, arbeiten mussten. Dass sie sich auch der Gefahr bei ihrer Arbeit bewusst waren und göttlichen Beistand suchten, erfuhren wir in der Salzkappelle. Auf einem Balkon blickten wir dann in die Tiefe, um uns hundert Meter hohe Salzwände, ein gewaltiger Anblick. Die Feuchtigkeit verlieh ihnen ein marmorhaftes Aussehen. Ganz unten winzige Boote, mit denen man auf einem unterirdischen See herumpaddeln kann. Aber nicht nur das, auch Riesenradfahren, Minigolf, Billiard oder Tischtennis wird geboten und sogar ein Theater ist in der Tiefe eingebaut. Die sportlichen unter uns brauchten mehrere Minuten um über die vielen Treppen nach unten zu gelangen, andere nahmen lieber den Aufzug.

Nach 12 Grad unter Tage, empfingen uns wieder 25 Grad, als wir das Tageslicht wieder erblickten. Die Fahrt durch die herrliche Landschaft, die dem Betrachter auch so viel Ruhe und Entspannung schenkt, ging weiter zunächst nach Tirgu Mures. Ein kurzer Stop für eine kulinarische Köstlichkeit. In einem unscheinbaren Hinterhof steht ein genauso unscheinbarer Imbissstand, aber dort gibt es die besten Langos weit und breit. Viele der Mitreisenden Jugendlichen wagten es, dieses Hefegebäck mit Schafskäse und Knoblauchsoße zu probieren und alle waren begeistert. Weiter ging es immer mehr in die Gegend, in der Pfarrer Sattler seine Jugend und seine ersten Jahre als Pfarrer verbracht hat. In den Dörfern erkannte man immer öfter die typischen, eins so stattlichen sächsischen Häuser. In etwa 100 Gemeinden der Gegend um Schäßburg stand Pfarrer Sattler damals auf der Kanzel. Aber vorher ging er in der sehenswerten Stadt zur Schule. Es ging wieder viele Treppen, genau 174 Eichenstufen der berühmten Schultreppe hinauf, die wir und er damals mehrmals am Tag überwinden mussten um zum Josef Haltrich Gymnasium zu kommen, dass er bis zum Abitur besucht hat. Zuvor aber ging es unter dem Stundturm hindurch, dem Wahrzeichen der Stadt. Dort wurden wir über eine Webcam live in der Heimat gesehen. Auf dem höchsten Punkt der Stadt liegt die uralte Bergkirche. Zu ihren Besonderheiten zählen einige wertvolle Ältäre aus den Kirchen der Umgebung. Der Hauptaltar und auch das Taufbecken stammen aus der Kirche in Schaas, dem Geburts- und Heimatort von Pfarrer Sattler. Über dem Becken wurde er getauft und vor dem Altar konfirmiert und getraut. Auf einem anderen Altar hat der Maler den Lieblingshund des abgebildeten Abtes gezeichnet, aber so versteckt, dass ihn alle lange suchen mussten. Im Ort steht die Büste eines berühmten Siebenbürger Sachsen, der auch lange Jahre in Schäßburg lebte: Herrmann Oberth, der schon als Kind sein Interesse an der Physik und der Raumfahrt entdeckte und lebte. Mit seinen Entdeckungen war er maßgeblich an der Entwicklung der Mondrakete Saturn 5 beteiligt.

Mit so viel Neuem Erlebtem und Erfahrenem ging es weiter durch die nun von der Abendsonne vergoldeten Landschaft immer näher an die Karpaten Richtung Kronstadt. Wir erfuhren von weiteren berühmten Persönlichkeiten die Siebenbürgen schätzen, ja lieben gelernt haben. Im Dorf Radeln hat Peter Maffay, er wurde in der Nähe von Kronstadt geboren, eine Begegnungsstätte für traumatisierte Kinder errichtet, wo ihn Pfarrer Sattler und Schulleiter Günther Schmalisch vor einigen Jahren auch persönlich getroffen haben und nicht weit davon entfernt verbringt Prinz Charles jedes Jahr im Dorf Deutsch-Weißkirch seinen Urlaub. Nachdem wir auch den „Geisterwald“ unbeschadet hinter uns gebracht hatten, war unser Ziel, die Pension Saxonia, in Rosenau, kurz hinter Kronstadt nicht mehr weit. Ein in jeder Hinsicht herrlicher Tag ging zu Ende und wir freuen uns auf das, was uns morgen erwartet.

Schwarze Kirche und Kirchenburg

Alle Daheimgebliebenen müssen uns wirklich beneiden. Wieder ein Tag voller Sonnenschein und 24 Grad! Aber nicht nur wegen des wieder idealen Wetters kann man uns beneiden, sondern auch wegen der vielen Eindrücke und Erlebnisse hier in Siebenbürgen. Mit Kronstadt stand heute die im frühen 13. Jahrhundert als südöstlichste deutsche Stadt in Siebenbürgen gegründete Großstadt auf unserem Besuchsprogramm. Unterhalb der „Zinne“, wo sonst immer unsere Führungen endeten, begannen wir diesmal unsere Route. Von dort hat man einen guten Überblick über die Altstadt und natürlich dominiert auch hier das Wahrzeichen Kronstadts, die „Schwarze Kirche“, das Stadtbild. Zu ihr aber später. Die Reste der Stadtmauer deuteten darauf hin, dass sich die Stadt in früheren Jahrhunderten vor Überfällten schützen musste. Zuständig dafür waren vor allem die Zünfte. Jede Zunft hatte einen Abschnitt der Stadtmauer zu erhalten und für Beobachtung und Verteidigung einzustehen. Eine besonders wohlhabende Zunft mussten wohl die Weber gebildet haben. Davon zeugt noch heute die eindrucksvolle „Weberbastei“. In ihrem Inneren beherbergt sie heute ein eindrucksvolles Stadtmodell, an dem sich die vor allem von Siebenbürger Sachsen bewohnte Altstadt und der von Rumänen bevölkerte neue Teil außerhalb der Stadtmauern gut veranschaulichen lässt. Wer den Weg von dort zur Schwarzen Kirche sucht, kommt durch die engste Gasse der Stadt. Nur gut einen Meter breit ist die Schnurgasse und bei „Gegenverkehr“ wird es wirklich eng. Wer Kronstadt besucht, muss auch die Schwarze Kirche gesehen haben. Bei einem Stadtbrand im Jahr 1689 wurde sie bis auf ein Marienbild über einem Portal völlig zerstört. Die Hitze war so groß, dass sogar die herabgestürzten Glocken schmolzen. Von den ehemals völlig rußgwschwärzten Wänden zeugen heute nur mehr einige Steine. Im Inneren des größten von Siebenbürger Sachsen errichteten Bauwerks entdeckten wir einige Schätze, wie die äußerst wertvollen orientalischen Teppich aus der größten Teppichsammlung Europas. Kaufleute hatten sie in früheren Jahrhunderten als Dank für eine glückliche Heimkehr nach Handelsreisen gespendet. Einen weiteren Schatz bildet die gewaltige Buchholz-Orgel der gleichnamigen Berliner Orgelbaufirma mit ihren fast 4000 Pfeifen, die größte misst etwa 13 Meter. Leider erklang sie nicht während unseres Besuches. Von vergangenem Reichtum zeugen auch die hölzernen mit den Zunftzeichen reich verzierten Chorgestühle, in denen die Meister der Zünfte dem Gottesdienst folgten. Ein Gotteshaus soll eigentlich immer zum Verweilen einladen, leider hat sich das immer noch nicht bis zum „Wach“-Personal der Kirche herumgesprochen.
Vor der Schwarzen Kirche, weißt ein gestrenger Herr energisch auf ein gegenüberliegendes Gebäude hin. Es ist die Statue des siebenbürgischen „Luthers“. Der in Kronstadt geborene Universalgelehrte Johannes Honterus, ein Zeitgenosse Martin Luthers, war einst nach Wittenberg gereist um dort den großen Reformator zu treffen und seine Lehren kennen zu lernen. Überzeugt von den reformatorischen Anliegen reiste er nach Siebenbürgen zurück und führte dort die Reformation durch, die bereits 1546 abgeschlossen war. Insofern gilt er als Reformator Siebenbürgens und er weißt mit dem Arm auf das von ihm gegründete Gymnasium. Wie Luther lag Honterus die allgemeine Bildung am Herzen. Er gründete deshalb das erste humanischtische Gymnasium in Südosteuropa. Das Honterus-Gymnasium genießt bis heute einen ausgezeichneten Ruf und nach wie vor ist die Unterrichtssprache Deutsch. Nun hatten wir uns eine Pause verdient und wir fanden allerlei Stärkung in der belebten Fußgängerzone, bevor
nochmal eine Reise in die Vergangeheit Siebenbürgens anstand.

Wieder stand eine Kirche im Mittelpunkt, was bezeugt, wie wichtig Kirchen und der Glaube für die Menschen zu allen Zeiten war. Die Kirchenburg in Tartlau ist mittlerweile weltberühmt und steht stellvertretend für die zahlreichen Kirchenburgen dieses Landstrichs. In ihr fanden die Menschen am Rand der Karpaten Schutz vor den plündernden und brandschatzenden Mongolen, Tartaren und Türken. In ihr von neun Metern dicken Mauern umgebenes Inneres zogen sich die Dorfbewohner bei Gefahr mit Kind Kegel zurück und konnten mit den in den zahlreichen Kammern angelegten Vorräten die Belagerung überstehen. Für die Kinder war eine Schule eingerichtet und auch Handwerker wie Weber oder Wagner konnten ihre Arbeit verrichten. Im Mittelpunkt stand die Kirche und nirgends erhält Luthers Choral „Ein Feste Burg ist unser Gott“ einen solchen Wirklichkeitsbezug wie hier. Fern der Heimat drangen plötzlich mittelfränkische Töne an unser Ohr und neben uns standen Besucher aus Ansbach in der Kirche.
Nach soviel Geschichte „erhoben“ wir uns und schwebten gleichsam über den Dingen. Die Fahrt hinauf in die Schullerau, im Winter ein stark frequentiertes Skigebiet bot immer wieder atemberaubende Ausblicke über Kronstadt bis weit hinaus in die ebenen Landstriche Siebenbürgens. Obwohl die Wälder von zahlreichen Bären, die nachts oft die Mülleimer Kronstadts und auch Rosenaus plündern, durchstreift werden, bekamen wir keinen zu Gesicht. So musste die Geschichte der Begegnung zwischen Pfarrer Sattler und Meister Petz vor vielen Jahren Ersatz bieten.
Gut wieder im Tal angekommen, war auch dieser Tag zu Ende. Ein spannender steht uns morgen bevor, denn wir wollen Fürst Dracula einen Besuch abstatten. Es steht nur zu befürchten, dass er wie Meitster Petz unsichtbar bleibt. Aber abwarten, man weiß ja nie!!

Wir wollten hoch hinaus!

Wie nicht anders zu erwarten, war von Dracula weit und breit nichts zu sehen. Kein Wunder auch, bei den Menschenmassen aus der ganzen Welt, die sich mittlerweile durch die engen Räume und Stiegen von Schloss Bran drängen und schieben­­­­. Ein eindrückliches Beispiel dafür, wie man mit einem Mythos, der keinerlei historische Verbindung mit diesem Schloss hat, bei geschickter Vermarktung enormen kommerziellen Gewinn machen kann.  Informationen vor Ort waren so kaum möglich, so mussten wir im Bus besprechen, das zwar die rumänische Königsfamilie in dem vom Deutschen Ritterorden gegründeten Schloss wohnte, aber nie Vlad Tepes, der wegen seiner Grausamkeit gegenüber Feinden auch Dracul (Teufel) genannt wurde. Auch Bram Stoker, der Verfasser des Dracularomans hat zu diesem Schloss keine Beziehung und war auch nie vor Ort.
Wesentlich interessanter und nah am wirklichen Leben war dann die Fahrt abseits der Hauptstraße durch ein enges Tal, in dem die Natur die Menschen der Natur an den steilen Wiesen und von den wenigen Feldern alles noch in mühevoller Arbeit abringen müssen. Kühe und Pferde brauchen keine Elektrozäune, sie können sich frei bewegen. So begegnete uns in einem Dorf eine Stute mit ihrem Fohlen. Beide gingen gemütlich und allein ihres Weges und suchten saftiges Gras. Beeindruckend auch die mächtigen gesunden Mischwälder, die die wenigen Dörfer wie hohe Schutzmauern umgeben. Hier ist keine Hektik zu spüren, wofür auch der Zustand der Straßen sorgt.

Schließlich öffnete sich das Tal in die weite Ebene um die Stadt Fogarasch, berühmt auch für die ausgezeichneten Kartoffeln, die in dieser Gegend wachsen. Doch schon bald bog unser Fahrer Alfred wieder von der Hauptstraße ab und es stand uns ein absoluter Höhepunkt der Reise bevor, die Fahrt auf der Transfogarascher Hochstraße bis zum Bàlea-See weit über der Baumgrenze. Doch das Unterfangen drohte zu scheitern, denn immer dichter zogen Wolken und Nebel heran und die Sicht betrug teilweise nur ein paar Meter. So machte es keinen Sinn weiterzufahren und wir beschlossen am Parkplatz von dem aus man zu einem Wasserfall gehen kann, umzudrehen. Doch vorher wollten wir uns noch etwas die Beine vertreten und viele genossen auch einen gekochten Maiskolben mit Salz. Während wir diese abnagten öffnete sich plötzlich der Himmel und die Sonne strahlte auf uns herab. Schnell hieß es einsteigen und die Fahrt ging nun doch weiter. Was uns auf den nächsten Kilometern erwartete, war einfach atemberaubend. Wie eine gewaltige Schlange windet sich die Straße in unzähligen Serpentinen immer höher, die Ausblicke ins Tal und nach oben in die mächtige Felsenlandschaft wurden immer grandioser. Die Baumgrenze war längst überschritten als wir schließlich in 2048 Metern Höhe den Bàlea-See erreichten. Im Winter gewinnt man aus ihm Eisblöcke, mit denen jedes Jahr ein Eishotel und eine Eiskirche gebaut werden. Auch ein trauriges Ereignis verbindet sich mit diesen Bergen. In einer Steilwand oberhalb des Sees erinnert eine Gedenktafel an eine 23 Schüler und ihre Lehrer des Brukenthal-Gymnasiums in Hermannstadt, die hier bei einem Staublawinenunglück im April 1977 ums Leben kamen.
Wir erlebten dann, wie unglaublich schnell sich das Wetter in den Bergen ändern kann. Binnen weniger Minuten zog eine Nebelbank zwischen den Felswänden vom Tal herauf und hüllte uns völlig ein. Also machten wir uns auf die Rückfahrt und waren bei unserem Alfred in absolut sicheren Händen.

Hermannstadt war nicht mehr weit, aber nach dem steten Glück mit dem Wetter empfing uns die wohl schönste Stadt Siebenbürgens mit einem heftigen Gewitter. Der Himmel öffnete seine Schleusen und machte ein Aussteigen unmöglich. Nach einigen Minuten ließ der Regen nach und wir schleppten, rollen oder trugen unser Gepäck zur nächsten und letzten Unterkunft unserer Reise, dem Hotel „Römischer Kaiser“. Noch prasselt der Regen auf das nächtliche Hermannstadt, aber wir hoffen auf trockenes Wetter morgen, damit wir neben dem Freilichtmuseum Astra auch die Schönheiten der Stadt erkunden und erleben können.

Sonne und Regen – Vergangenheit und Gegenwart

Der heutige Tag war zweigeteilt, nicht nur was das Programm anbelangt, sondern auch was das Wetter betrifft. Während in der Nacht noch Dauerregen niederprasselte, strahlte am Morgen die Sonne aus einem weiß-blauen Himmel. Ideale Voraussetzungen für den geplanten Besuch im nahe Hermannstadt gelegenen ASTRA-Freilichtmuseum. Nach einem ausgiebigen Frühstück machten wir uns auf den Weg und hatten das Museum zunächst nahezu für uns allein. In dem Museum sind auf 96 ha Gehöfte aus den verschiedenen Landesteilen mit den dazugehörigen Werkstätten, Holzkirchen, Wirtshäuser etc. zu sehen, die das Leben unter unterschiedlichen Bedingungen erahnen lassen. Während des Rundganges konnten Pfarrer Sattler und Schulleiter Günther Schmalisch den Jugendlichen viele anschauliche Informationen zu den ausgestellten Gegenständen und deren Gebrauch, teilweise noch aus eigenem Erleben geben. Die Schüler erfuhren u.a. was ein Joch ist und warum der Prophet Jeremias dies als Sinnbild verwendet, warum auch Hufeisen für Kühe gebraucht wurden, wie in früheren Zeiten Ölpressen funktionierten, wie man Wein keltert oder was ein Göpel ist. Dass man aufgrund der Energiewende wieder auf Techniken setzt, die die Vorfahren schon längst entwickelt hatten, erkannten sie beim Anblick der verschiedenen Windmühlen und Wasserräder und der Blick auf die Dächer lieferten ihnen den entscheidenden Hinweis auf den Lebensraum der Bewohner. In früheren Zeiten war das Material teuer und der Arbeitslohn billig. Deshalb verwendete man Materialien, die man vor Ort meist umsonst vorfand. In Waldgegenden war es Holz, das zu Schindeln verarbeitet wurde, im flachen, fruchtbaren Land war es das Stroh des Getreides und an Flüssen oder Seen wurden die Dächer eben mit Schilf gedeckt. Heute haben sich die Voraussetzungen umgekehrt, das Material ist der billigere Teil und der Arbeitslohn der teure. So kostet ein Quadratmeter Reetdach kostet bis zu 300 Euro. Seit einiger Zeit ist auch ein typisch sächsisches Haus mit seinem wichtigen Gewölbekeller aufgebaut. Pfarrer Sattler erläutere darin, wie wichtig dieser Keller in Zeiten ohne Kühlschrank und Kühltruhe für die Lagerung von Obst und Kartoffeln sowie der Weinfässer war. Bei der Reise in die Vergangenheit durfte natürlich ein Besuch der Schule nicht fehlen. Im Klassenzimmer der Museumsschule erwarteten die Schüler von heute Schiefertafeln, Griffel, enge Holzbänke mit einem Loch für das Tintenfässchen und ein Ofen zum Heizen im Winter. Einige nahmen auf den harten Bänken Platz wollten aber mit ihrem A-E-G von heute dann doch nicht tauschen. Dafür ließ Karolina mit einer gekonnten Gesangseinlage auf der Seebühne ihr „Publikum“ die ausgezeichnete Akustik erleben.

Wir sammelten noch viele Eindrücke und Einblicke in unterschiedliche Handwerkskünste vergangener Zeiten bevor wir uns auf den Rückweg nach Hermannstadt machten. Während es das Wetter die ganze Woche immer so gut mit uns gemeint hatte, setzte dann pünktlich zum zweiten Programmpunkt des Tages, einer Stadtführung in der wohl schönsten Stadt Siebenbürgens, der Regen ein, fortan ein treuer Begleiter für den Rest des Tages. Wir ließen uns aber nicht aufhalten, stellten uns im „Generalsloch“ am Großen Ring unter, während Pfarrer Sattler Wichtiges zur Geschichte der Stadt und den Gebäuden dieses einmalig schönen Platzes erläuterte. Die Schönheit kam aber leider nicht so zum Ausdruck, der wie jedes Jahr zu dieser Zeit, ein großes Zelt und viele Fahrschäfte den Blick sehr einschränkten. Die Hermannstädter feiern nämlich parallel zum Oktoberfest das Cibinfest, auf das auch die „Augen der Stadt“ – typische Fenster in den Dächern –  kritisch herabblickten. Auch hier wurden wir über die Livewebcams wieder von zuhause aus beobachtet, bevor wir vom großen Ring durch das Rathaustor in den kleinen Ring und auf die berühmte Lügenbrücke gelangten. Sie hielt auch diesmal Stand, scheinbar waren unter uns nur ganz ehrliche Menschen. Wohltuend ruhig und vor allem trocken war es dann in der evangelischen Stadtkirche, in der Pfarrer Sattler als Vikar predigte und so einige Besonderheiten zu erzählen wusste. Ein ausdrucksstarkes Sinnbild ist zum Beispiel das Taufbecken, das aus einem ehemaligen Kanonenrohr gefertigt wurde. Aus der todbringenden Waffe wurde so ein segens- und lebensspendendes Taufbecken. Ein großes Wandgemälde enthält ebenfalls eine Besonderheit, denn es zeigt neben dem gekreuzigten und auferstandenen Christus auch den in die Hölle „hinabgestiegenen“, was sonst auf keiner Darstellung zu sehen ist. Den Abschluss bildete der Besuch in der orthodoxen Kirche. Die Pracht der Wandgemälde und der Ausstattung beeindruckte alle sichtlich.
Am Schluss des Tages herrschte auch schon etwas Wehmut, denn damit war der letzte offizielle Programmpunkt beendet und das Ende der wunderbaren Woche schon in Sichtweite. Ein Highlight steht aber noch aus, für alle, die es erleben wollen, der Besuch auf dem Wochenmarkt am Freitagvormittag, bevor wir dann leider schon wieder die Heimreise antreten werden.