Flucht – 70 Jahre Grundgesetz – „Wir schaffen das“ – Viele verschiedene Gedanken gehen einem durch den Kopf, wenn man das Wort „Flucht“ hört. Dominic Dujardin und Jannes Umlauf von der Stiftung Multivision e. V. gelang es eindrucksvoll, diese Gedanken den Schülerinnen und Schülern der zehnten und elften Jahrgangsstufe am Albrecht-Ernst -Gymnasium erschreckend anschaulich darzustellen. Voller Elan und mit vielen Einblicken in den persönlichen Lebenslauf führten die beiden Moderatoren durch den Projekttag „Migration – Flucht aus Deutschland – in Deutschland – nach Deutschland“.

Mit einem Quiz stiegen die Schüler/innen in den Tag ein und bemerkten schnell, dass ihr Wissen zum Thema „Flucht“ eher aus einem Bauchgefühl als aus tatsächlichem Wissen bestand und trotz aller guter Vorsätze Medien und Vorurteile das eigene Denken beeinflussen. Ein Überblick über die deutsche und europäische Geschichte von der Ostvertreibung bis heute ermöglichte es, zu erkennen, wie prägend das Thema Flucht war und auch immer noch ist. Besonders erschütternd war für die Jugendlichen die Tatsache, dass Einschränkungen des Asylrechts immer Gegenbewegungen auf rechte Gewalttaten darstellten.

Nach einer Pause wurde die Veranstaltung konkreter. Vier Präsentationen der zehnten Klassen griffen einen fiktiven Fall auf, bei dem eine junge Kongalesin abgeschoben werden soll. Hierbei gingen die Schüler allgemein auf das Asylrecht in Deutschland, auf die konkrete rechtliche Einschätzung des Falls, auf weitere rechtliche Möglichkeiten wie dem Kirchenasyl und auf eine eher emotionale Reaktion unbeteiligter Personen ein.

Im Anschluss erzählte Peter Keup in Interviewform zusammen mit Dominic Dujardin  von seiner versuchten Republikflucht aus der DDR. Die Eltern, im Westen geboren, gingen auf Grund der politischen Überzeugung des Vaters, Ende der 50er Jahre in die DDR. Dort bekam die Familie schnell mit, dass es in einer Diktatur zwei verschiedene Welten gibt. Die private, in der man sagen darf, was man denkt, und eine öffentliche, in der man dem Regime recht gibt und seine Gedanken für sich behält. Nachdem die Familie nach Jahren einen Ausreiseantrag gestellt hat, erlebte Peter Keup, wie die DDR mit unliebsamen Bürgern verfährt: Abbruch der schulischen Ausbildung, Verbot des Sports, Ausschluss aus dem gesellschaftlichen Lebens. Es gab kaum mehr Möglichkeiten zu eigenständigen Entscheidungen. „So konnte es nicht mehr weitergehen. Ich hielt es nicht mehr aus“. Mit diesen eindrücklichen Worten schilderte der Zeitzeuge seine ganz individuelle Fluchtursache. Er plante illegal nach Ungarn zu kommen, dann durch die Donau nach Österreich und von dort in die BRD. Bereits in Dresden wurde er kontrolliert, konnte kein Rückfahrticket vorweisen und die angeblichen Freunde, die er in Bratislava besuchen wollte, existierten nicht, was die Stasi schnell herausbekam. Zehn Monate Haft bekam er für die „Republikflucht“. Gegen die Zahlung von 10.000 DM wurde er später von der BRD freigekauft.

Nach der eindrucksvollen Lebensgeschichte konnten die Schüler bei einer Podiumsdiskussion Fragen an Fachleute aus der Region stellen. Gäste waren die Oettinger Stadträtin Annemarie Leigart, Ulrike Zitzlsperger, die die Referatsleitung Migration des Landkreises Donau-Ries inne hat, Ulrike Barth, die für den Jugendmigrationsdienst Günzburg zuständig ist, und Khadija Alkhatib, eine aus Syrien geflüchtete Mutter von drei Kindern, die in drei Jahren so gut die deutsche Sprache gelernt hat, dass sie nun Deutsch für Ausländer unterrichtet. Bei dem Gespräch wurde vor allem deutlich, dass die Betroffenen mit vielen bürokratischen Hürden zu kämpfen haben und dass es den meisten Flüchtlingen nur darum geht, in Frieden und Sicherheit leben zu dürfen.