„Bühne frei!“ – hieß es Mitte Oktober am A-E-G für den Theatermacher Ekkehart Voigt aus Weilmünster, der nun schon einige Mal in Oettingen mit seinem Ein-Mann-Theater gastierte und dieses Mal gleich zwei Vorstellungen gab. So kamen die siebten Klassen und die Kurse der Q 11 unter Berücksichtigung der aktuellen Hygiene- und Abstandsregeln in den Genuss, den Deutschunterricht einmal wieder in einer anderen Art und Weise zu erleben.

Die Siebtklässler unternahmen in der Aula des Gymnasiums gemeinsam mit dem Schauspieler eineZeitreise in die Epoche der Völkerwanderung. Voigt gab seine Version der bekannten Mär von Siegfried und dessen Abenteuern zum Besten.

Durch die Inszenierung der „Nibelungensage“ sollte den Jugendlichen ein unterhaltsamer Zugang zu einer längst vergangenen Zeit – der Welt des führen Mittelalters – ermöglicht werden. So erhielten die Schüler einen spannenden Einstieg in die mittelalterliche Kultur. Damit werden sie sich in diesem Schuljahr sowohl im Fach Geschichte als auch im Deutschunterricht beschäftigen.

Immer wieder vergaß das jugendliche Publikum während des Stücks, dass nur ein einziger Spieler auf der Bühne stand. Denn Siegfrieds Kampf mit dem Drachen und das Wortgefecht zwischen Brunhild und Kriemhild wirkten auch von nur einem Schauspiel vorgetragen sehr lebendig. Neben dem unerschrockenen Siegfried, der stolzen Brunhild und der unbedarften Kriemhild erweckte Ekkehard Vogt auch die anderen Helden des Nibelungenliedes – den finsteren Hagen und den überforderten Burgunderkönig Gunther – zum Leben. Mit wenigen Requisiten, wie z. B. einer echten Leier, gelang es ihm so, die alte Sage auch für heutige Jugendliche ansprechend darzubieten. Und diesen hat die Inszenierung gefallen, auch wenn sie immer von dem Schauspieler überraschend mit ins Stück einbezogen wurden – soweit es die aktuellen Beschränkungen zuließen.

Dass die spannende Handlung um Liebe und Gier, Heldentum und Verrat, um einen großen Schatz und einen tückischen Fluch auch nach wie vor höchst aktuell ist, erklärte Voigt den Schülerinnen und Schülern im anschließenden Werksgespräch. „Eigentlich war die Geschichte wohl zur Abschreckung vor Hass und Krieg in der grausamen Zeit der Völkerwanderung entstanden“, so der Weilmünsterer. „Das mit der Abschreckung scheint leider bis heute nicht zu klappen!“, war dann allerdings sein Resümee. Die Jugendlichen erhielten dann auch die Möglichkeit, den Theatermacher zum Stück und zu seinem Beruf Fragen zu stellen.

In eine völlig andere Welt entführte Voigt die Oberstufenschüler. Sie besuchten mit ihm nämlich die Orte des Goethe-Klassikers „Faust. Der Tragödie ersten Teil“, wie z. B. das gotische Studierzimmer, Auerbachs Keller oder die Hexenküche. Dabei fügte der Theatermacher in seiner Inszenierung dem klassischen Geschehen eine Rahmenhandlung hinzu: Schulstunden an der Schule für „Höhere Teufel“. Das Publikum wurde dabei zur Teufelsklasse. In deren Unterricht wurde „Faust I“ als Lehrstück für angehende Teufel besprochen. Anhand dieses Meisterwerkes sollten die Aspiranten in die Kunst der Menschenführung eingeweiht werden. Hier lernten sie, wie Menschen ticken. Manipulation und das Entfachen von Gier sind Grundlagen für die gehobene Teufelslaufbahn. In diesem Zusammenhang bot es sich an, Bezüge zur aktuellen politischen Lage zu ziehen. Damit war gleich von Beginn der Aufführung klar, wie zeitlos der Literaturklassiker ist.

Und dann hieß es: „Der Worte sind genug gewechselt, Laßt mich auch endlich Taten sehn! Indes ihr Komplimente drechselt, Kann etwas Nützliches geschehn.“ Diese Zeilen aus dem „Vorspiel“ der Faust-Tragödie nahm der Theatermacher Ekkehart Voigt aus Weilmünster ernst. Denn in dieser Inszenierung wurde das junge Publikum, soweit es die Corona-Beschränkungen erlaubten, ebenfalls mit einbezogen. Immer wieder überraschte er die Schülerinnen und Schüler als gnadenloser Teufels-Lehrer mit Fragen und ausgewählte Schüler mussten sogar kleine Rollen im Stück übernehmen. Auf diese Weise wollte er „seiner“ Klasse – dem Publikum – die perfiden Pläne des Mephisto, um die Menschen zu verderben, erlebbar machen.

Eingebettet in diesen Rahmen spielte der Solokünstler Ekkehart Voigt alle wichtigen Rollender Tragödie in durchaus kurzweiliger, unterhaltsamer Art und Weise. Dabei wohnten nicht nur zwei Seelen (!) in seiner Brust, denn es gelang ihm, zwischen allen wichtigen Rollen des Stückes hin- und herzuspringen und diese mit Persönlichkeit zu füllen. Das Gretchen spielte er mit scheuem Augenaufschlag und zartem Stimmchen, den Faust mit aufrechtem Rücken, die Kupplerin Marthe mit vorgerecktem Busen, und als Teufel verdrehte er den Hals und rieb seine Hände.

In einem anschließenden Publikumsgespräch berichtete Ekkehard Voigt von sich und seiner Tätigkeit als Schauspieler. Dem Theatermacher war es in dem Austausch besonders wichtig, den jungen Menschen die Botschaft des Stückes mit auf dem Weg zu geben: Liebe ist es, die die Welt im Innersten zusammenhält. Dies müssten die Jugendlichen in ihrem Leben erkennen und den Herausforderungen positiv gegenübertreten und das eigene Leben aktiv gestalten. Dabei schwanke wohl jeder Mensch zwischen guten und bösen Taten, es komme aber gerade darauf an, sich für die richtige Seite zu entscheiden. Voigt betonte, dass diese Entscheidungsfreiheit des Menschen immer wieder verantwortungsvoll genutzt werden müsse.

Nachdem in den letzten Wochen und Monate durch die „Corona-Beschränkungen“ viele Höhepunkte im Schulalltag gestrichen wurden, freute es sowohl die Schülerinnen und Schüler als auch die Lehrkräfte umso mehr, wieder einmal einen solchen erleben zu können, auch wenn natürlich die Abstandsregel und Hygienevorschriften dazu führten, dass in diesem Jahr die Aufführungen etwas anders abliefen und vor allem der Einbezug des jungen Publikums nicht im üblichen Maß möglich war.